Reflexinkontinenz

Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten bei plötzlichem Harnverlust.

Frauen, Männer und Kinder mit einer Reflexinkontinenz spüren nicht, dass ihre Blase voll ist. Sie haben keine Kontrolle über ihre Blasenfunktion. Ihre Blase entleert sich reflexartig. Die Urinmenge und die Intervalle variieren. Das bedeutet eine ständige Ungewissheit: Wann passiert es wieder? Dieser Artikel beschäftigt sich mit den Ursachen, Untersuchungen und Therapiemöglichkeiten bei Reflexinkontinenz.

Reflexinkontinenz bei Männern, Frauen und Kindern

Kurzübersicht

  • Was ist Reflexinkontinenz? Die unkontrollierte und unbewusste Blasenentleerung als Reflex
  • Symptome : Die Blase entleert sich ohne vorherigen Harndrang von selbst aus Reflex.
  • Ursachen : Angeborene Fehlbildung des zentralen Nervensystems und Rückenmarks (Spina bifida), Unfälle und Krankheiten (Querschnittslähmung, Bandscheibenvorfall), neurologische Erkrankungen (Multiple Sklerose), Hirnleistungsstörungen (Demenz, Alzheimer, Parkinson), Periphere Neuropathien (bedingt durch Diabetes mellitus oder Schlaganfall), Tumore
  • Untersuchungen : Ultraschalluntersuchung, urodynamische Untersuchung (Bestimmung der Blasenfunktion), Röntgen-Untersuchung der Harnblase, Blasenspiegelung, CT, MRT
  • Therapie : Entleerung der Blase mit Einmalkathetern oder Dauerkathetern, Elektrostimulation, Operation
  • Fazit : Bei der Therapie der Reflexinkontinenz steht der Schutz der Nieren im Vordergrund.

Was ist eine Reflexinkontinenz? (Definition)

Eine Reflexinkontinenz, auch „neurogene Harninkontinenz“ genannt, ist eine seltene Form der Harninkontinenz. Sie betrifft Frauen, Männer und Kinder gleichermaßen. Das Gehirn ist nicht in der Lage, die Blasenmuskulatur zu steuern. Darum kommt es zu einem unbeabsichtigtem Urinverlust. Menschen mit Reflexinkontinenz gelingt es nicht, ihren Urin aufzuhalten. Sie verspüren keinen Harndrang. Ihre Blase entleert sich reflexhaft von selbst. Wie viel Urin dabei austritt, unterscheidet sich von Person zu Person. Meistens entleert sich die Blase allerdings nicht komplett.

Symptome einer Reflexinkontinenz

Das vorherrschend Symptom bei Reflexinkontinenz ist ein Urinverlust ohne Vorwarnung. Menschen mit einer Reflexinkontinenz spüren keinen Harndrang. Ihre Blase entleert sich unbewusst in unterschiedlichen Intervallen.

Ursachen einer Reflexinkontinenz

Eine Reflexinkontinenz kann angeboren sein wie bei Spina bifida (offener Rücken). Die Ursache ist eine Fehlbildung des zentralen Nervensystems (ZNS) und des Rückenmarks. Oder die Reflexinkontinenz geht auf eine komplette Querschnittlähmung (Paraplegie) oder einen schwerwiegenden Bandscheibenvorfall zurück. Bei Operationen besteht ebenfalls das Risiko, dass die Nerven beschädigt werden.

Weitere Ursachen:

  • Neurologische Erkrankungen wie Multiple Sklerose (chronische Entzündung des zentralen Nervensystems)
  • Hirnleistungsstörungen wie Demenz, Alzheimer und Parkinson
  • Periphere Neuropathien aufgrund von Diabetes mellitus oder Schlaganfall
  • Tumore

Mediziner unterscheiden zwischen zwei Formen der Reflexinkontinenz:

Spinale Reflexinkontinenz

Bei einer spinalen Reflexinkontinenz sind die Nervenverbindungen vom Rückenmark zum Gehirn unterbrochen. Die Blase kann nicht mehr willentlich geleert werden. Diese Form der Reflexinkontinenz tritt als Folge einer Rückenmarksverletzung wie bei einer kompletten Querschnittslähmung oder einer Erkrankung wie Multiple Sklerose auf.

Supraspinale Reflexinkontinenz

Verliert ein Mensch die Kontrolle über seine Blase aufgrund einer Hirnleistungsstörung, liegt die supraspinale Form der Reflexinkontinenz vor. Das ist bei Demenz, Alzheimer und Parkinson der Fall.

Therapie- und Behandlungsmöglichkeiten

Es ist wichtig, die Nieren zu schützen. Bei der reflexartigen Blasenentleerung bleibt meistens Restharn zurück. Die größte Gefahr dabei ist, dass es zu einem Rückstau in die oberen Harnwege kommt. Dann wird der Urin in die Nieren zurückgedrängt (vesikorenaler Reflux), was zu einer Nierenschädigung führen kann. Mit einer regelmäßigen Entleerung der Blase per Katheter lässt sich das verhindern.

Selbstkatheterisierung oder Dauerkatheter

Das gelingt häufig ohne Pflegepersonal: Patienten können sich in einem Abstand von drei bis vier Stunden selbst einen Katheter legen (Selbstkatheterisierung), vorausgesetzt, sie können ihre Arme bewegen. Andernfalls ist ein Dauerkatheter eine Möglichkeit.

Alltagshilfe bei Reflexinkontinenz bei neurologischer Erkrankung

Elektrostimulation

Ergänzend ist eine Elektrostimulation möglich. Dabei geben Elektroden elektrische Impulse ab. Je näher die Elektroden an der Blase sind, desto effektiver ist die Methode.

Botox

Durch Botox lässt sich eine unwillkürliche Kontraktion des Muskelsystems in der Blase für etwa ein halbes Jahr verhindern.

Operation

Schlagen diese konventionellen Therapieversuche fehlt, bleibt eine Operation. Das betrifft rund 30 Prozent der Patienten mit Reflexinkontinenz. Die letzte Möglichkeit ist der Einbau eines Blasenschrittmachers: Die Sonde wird auf der Höhe der Vorderwurzeln S2-S4 eingebracht.

Hilfe & Unterstützung im Alltag

Es gibt für die Reflexinkontinenz kein spezielles Inkontinenzmaterial. Ob Ein- und Vorlagen, Slips oder Windeln geeignet sind, hängt von der Situation des Patienten ab. Eine Rolle spielen die Menge des Urinverlustes, die Hüftgröße und die Mobilität.

Für Menschen mit Querschnittslähmung ist eine Inkontinenzwindel mit Klebestreifen eine gute Wahl. Sie ist einfach anzulegen. Wer mobil ist, kann alternativ auf Slips oder Einlagen zurückgreifen.

Geruchssichere Inkontinenzhilfsmittel unterstützen bei Reflexinkontinenz im Alltag:

  • Die Kleidung bleibt geschützt, wenn unbewusst Harn abgeht
  • Es gibt keine unangenehmen Gerüche.
Hilfe bei neurologischen Störungen und Inkontinenz

Untersuchungen beim Arzt

Am besten ist es, die neurogene Störung der Blasenfunktion in einem urologischen Zentrum mit dem Schwerpunkt „Neuro-Urologie“ überprüfen zu lassen. Im Rahmen einer Basisdiagnostik kommt das Ausmaß der Reflexinkontinenz ans Licht. Neben einer Anamnese gibt es eine körperliche Untersuchung und eine Urinuntersuchung. Auch ein Miktionsprotokoll (Trink- und Blasentagebuch) hilft bei der Diagnosestellung.

Anamnese

Der Arzt bringt bei einem Gespräch die Vorgeschichte und eventuelle Vorerkrankungen des Patienten in Erfahrung. Auf diese Weise verschafft er sich einen Eindruck von den bestehenden Beschwerden. Der Fokus liegt auf neurologischen, gynäkologischen und urologischen Erkrankungen sowie Operationen des Patienten.

Auch regelmäßig eingenommene Medikamente können mögliche Auslöser der Reflexinkontinenz sein: Etliche Wirkstoffe beeinflussen die Blase beziehungsweise den unteren Harntrakt. Weitere Punkte sind die Sexualanamnese, die Stuhlfunktion und die Anzahl der Schwangerschaften.

Körperliche Untersuchung

Der Arzt untersucht den Bauchraum. Anschließend folgt eine rektale Untersuchung. Er tastet die Blase und die umgebenden Organe ab. Bei Frauen untersucht er zusätzlich die Vagina und die Beckenbodenmuskulatur, bei Männern die Prostata.

Urinuntersuchung

Der Arzt untersucht den Urin auf rote und weiße Blutkörperchen, Eiweiß, Säuregrad und Zucker. Damit kommt er eventuell vorhandenen Grunderkrankungen auf die Spur.

Trink- und Blasentagebuch (Miktionsprotokoll)

Der Patient notiert in einem Miktionsprotokoll , wie viel Flüssigkeit er zu sich nimmt und ausscheidet. Dadurch bekommt der Arzt einen Einblick in das Trink- und Ausscheidungsverhalten. Auch mögliche Muster lassen sich anhand der Aufzeichnungen erkennen.

CT/MRT und Sonographie (Ultraschalluntersuchung

Zur Diagnostik gehört außerdem eine Kernspin-Tomographie (CT) oder eine Magnetresonanz-Tomographie (MRT) der unteren Wirbelsäule und eine Sonographie von Harnwegen und Becken.

Fazit

Eine Reflexinkontinenz ist eine seltene Form der Harninkontinenz, die Kinder, Frauen und Männer gleichermaßen betrifft. Bei der Therapie steht der Schutz der Nieren im Vordergrund. Patienten lernen, sich alle drei bis vier Stunden selbst einen Katheter zu legen. Ist dies wegen einer Lähmung oder aufgrund einer Demenzerkrankung nicht möglich, kommt ein Dauerkatheter infrage. Elektrostimulation ist eine sinnvolle Ergänzung. Greifen diese Mittel nicht, bleibt eine Operation.

Im Alltag sorgen Inkontinenzhilfsmittel dafür, dass sich Menschen mit dieser Form der Harninkontinenz sicherer und wohler fühlen.

Demenzpatientin im Rollstuhl

Medizinischer Disclaimer

Die hier dargestellten Inhalte dienen lediglich der Information. Bitte wenden Sie sich bei gesundheitlichen Fragen, Problemen oder Beschwerden an Ihren Arzt!



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